Corona Tagebuch x punkt ypsilon

Ich weiß nicht mehr welche Version. Irgendwie programmierts mich langsam neu. So viel geschieht. Und doch im Außen noch alles scheinbar wie immer. Es ist zwei Tage vor der Bundestagswahl. Die Außenwelt und das Geschehen kommen näher an uns heran. Corona bricht die bisherigen Eindeutigkeiten von Zugehörigkeiten und Seiten auf und schwärmt in unsere Beziehungen. Und wir sind miserabel in unseren Beziehungen. Wenn uns irgendetwas das Genick brechen wird, wird es nicht Hochwasser und auch kein Virus sein. Sondern unsere Beziehungen. Vielleicht geschieht es nicht. Ich weiß es nicht. Aber ich habe das Gefühl wir sind hundsmiserable Autisten was unsere Beziehungen angeht. Und das ärgert mich an der AfD. Ich teile erschreckenderweise viele ihrer Meinungen, oder kann ihnen zumindest etwas abgewinnen, ich kann sie nicht per se dementieren. Aber jeden den ich von der AfD treffe will seine Haut retten. Seine zuerst. Und dann die der Seinesgleichen. Und das deprimierende ist, daß als Alternative dazu immer nur eine verpflichtende Solidarität steht. Ein Muss zum Wir. Eine Verurteilung des Egoismus. Eine Verpflichtung zum Sich-Öffnen. Und das funktioniert natürlich nicht. Ein Herz was sich nicht öffnen will vergewaltigt man, wenn man es zum Öffnen zwingt. Aber die AfD zieht die Mauern so sehr um das Individuum, daß keine Beziehung mehr möglich wird. Aber naja, scheiß auf die AfD erstmal. Jetzt erstmal. Auch ohne sie sind wir so erkrankt, finde ich. So verwundet und ungelernt. Beleidigt, verletzt, beschämt oder im besten Falle schüchtern. Und wir halten uns mehr und mehr an irgend einer Wahrheit fest. Wahrheit ist so beliebig geworden. Wir halten uns an irgendwelchen Argumenten fest wie an losen Ästen. Und der öffentliche Diskurs, die landläufige, flächendeckende und von irgendeiner seltsamen Schablone der Allgemeinheit abgedeckten Meinung hat sich genauso für eine Wahrheit entschieden. Und welche Argumente wir finden, steht lange fest bevor wir sie suchen. Unsere Meinung steht lange fest noch bevor wir die passenden Argumente dafür finden. In uns bewegt sich etwas, unterhalb unseres Bewusstseins, unterhalb dessen, wo wir hinsehen, eine Sehnsucht, eine Angst, eine Unzufriedenheit, und die ist es, diese Gefühle sind es, dieser Ort des Bewusstseins ist es, aus dem heraus dann ein Arm nach der dazu passenden Wahrheit greift. Und der Markt ist so bunt. Es gibt inzwischen jede Wahrheit, ich weiß nicht mehr wie ich sie unterscheiden kann. Ich bin nicht mehr imstande die richtige von der gefakten zu unterscheiden. Was mich viel mehr interessieren würde ist, welcher Teil in Dir hat zu dieser Wahrheit gegriffen? Aber dort sehen wir nicht hin. Wir sehen nicht in uns hinein. Wir schauen nicht mehr in den Spiegel. Wir stehen da und sind überzeugt. Und wir kämpfen oder scheuen uns vorm Kampf, wir fliehen oder verharren. Hauptsache wir müssen nicht mehr hinsehen. Wir finden die Wahrheit, daß die Klimabewegung gelenkt ist. Wir finden die Wahrheit, daß dieses Virus gefährlicher ist als andere. Wir finden die Wahrheit, daß das einigen Entscheidungsgebern im Hintergrund gerade sehr gelegen kommt, was hier passiert. Und diese Wahrheiten lassen sich alle finden. Sie lassen sich finden! Ich bin jedenfalls nicht imstande sie zu widerlegen. Aber wir wollten sie finden. Und wir haben sie gefunden. Was eigentlich in uns vor geht, die Unzufriedenheit, die schon so lange und hartnäckig in uns rumort, und die wir einfach nicht imstande sind zu bewältigen, die schauen wir nicht mehr an. Die haben wir ja auch schon so oft angesehen. Irgendwann muss ja mal gut sein. Die wabert in unserem Inneren und bildet Metastasen, aber jetzt haben wir eine Antwort. Dort draußen ist die Antwort. Hauptsache DORT DRAUSSEN. Im Tun, im Machen, im Unterlassen, im Agieren, im Weitergehen, im Kämpfen, im Rauchen, im Arbeiten, im Trinken, es gibt immer was zu tun, jetzt mehr denn je. Aber uns. Uns schauen wir nicht im Spiegel an. Wir halten nicht inne und bewohnen unseren eigenen Körper, schenken der eigenen Unzufriedenheit einen Kanal, einen Kanal ohne Schuld. Weil alles immer weiter gehen muß. Und weil wir ja so gut Bescheid wissen. Wir wollen nicht irren. Wir wollen nicht schwach sein. Wir wollen nicht fühlen.

Aber was, wenn wir uns irren?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert