Da muß es erst nachts um eins werden. Und da müssen wahrscheinlich erst drei Jahre vergehn, die wir getrennt sind. Und dennoch sind wir immer noch nicht ganz getrennt. Wir trennen uns noch immer. Und nachts um eins, da löst sich wieder ein ganz kleines Stück. Schwenke ich die Kamera ein Stück hinüber, und lockere somit ihren Griff, und löse noch ‘ne Haut von dieser Zwiebel ab, die mir noch immer ein wenig in den Augen brennt. Herrje. :
Du, der du immer der Sanftmütige warst. (Und bist.) Der Verstehende. Der mich bedingungslos liebende. Der Akzeptierende. Der Ruhepol. Und ich die, die immer wollte. Immer suchte. Nie zufrieden war. Und sich entwickeln wollte. Wünschte. Sehnte. Suchte. Und ich, mit meiner Suche, Deine Ruhe nur verstärkend. Und anfangs war mir Deine Ruhe solch ein Hafen, und alles Sehnen floß durch meine Hände, meine Haut, auf Deinen Körper. Und Du, so durstig nach der Nähe, durftest nehmen, haben, das Geschenk behalten. Und von der Nähe eigentlich nie satt, auf die Nähe immer hoffend, dafür gabst Du mir, was Du am besten konntest: Du warst Ruhe. Akzeptanz. Hörtest zu. Warst Hafen. Liebtest mich bedingungslos. Anscheinend. Aber dann, mit meinem Wollen, Suchen, Sehnen, suchte ich natürlich auch bei uns. Bei Dir. Wollte weiter wachsen, wollte mehr, als das was ist. Wollte Hand in Hand die nächste Stufe. Aber Du, Du nicht. Warum Stufe. Und wohin. Hier ist es doch so warm. So gut. So nah. Lass uns doch Zeit und so. Ich: sehne mich aber so sehr. Nun ja. Und wenn ich wollte, hieltst Du nach und nach den Atem an. Schon wieder wollen, mehr als Nähe, Sie will immer so viel. Schon wieder. Und wo ich erst noch von der Welt etwas ersehnte, suchte ich jetzt was in Dir, konkret, in Dir. Und mir. In uns. Wünschte mir etwas, was noch nicht war. Was ich nicht sah. Und aber sehen wollte. Und da begann der Kreislauf, den wir vielleicht von Anfang an schon tanzten. Ich suchte, wollte, und Du hieltst den Atmen an. Und dein Zögern war mir eigentlich nur Wind in meine Glut und oben einen Deckel drauf. Warten. Nicht wollen dürfen. Weil ich Dich ja ganz genau so lieben will wie einst. Wie anfangs. Wie Du bist. Ich will nicht immer wollen. Will nicht immer suchen. Will die Nähe wieder die so frei, so ohne jedes wollen explodieren konnte. Aber die Sehnsucht in mir wuchs, mit jedem Zögern, jedem Schweigen, jedem Warten Deinerseits. Und die Unterschiede die uns lockten, uns verschmelzen und dann explodieren ließen, wurden uns also zum Verhängnis.
Und jetzt sind wir längst getrennt. Und noch immer, mehr denn je, macht es mich rasend, wenn Du Dich mir entziehst. Dich verweigerst, jeder Frage, jedem Zorn, jedem Ärger, jedem Vorwurf. Ausweichst. Aufschiebst. Heute werd ich Deine Email nicht mehr lesen. Und ich atme. Schweige. Schließe meine Augen. Denn es ist Dein gutes Recht. Es ist Dein Recht und ach ich weiß doch um den blöden Mechanismus. Dass je mehr ich will, je mehr ich ziehe, desto mehr: you disappear. Verschwindest. Bringst zum Erstarren jede Leichtigkeit. Und so zwingst Du mich, nichts mehr zu wollen. Du bist nicht ungerecht. Niemals. Was Du mir zugesagt hast hältst Du, und jede Regel, jede Abmachung die steht. Nur: wenn ich Dich anders will. Wenn ich zornig bin, entkräftet, wütend, müde, angenervt. Dann bist Du fort. Dann bist Du Luft. Atem, der gefroren ist, sich nicht mehr regt.
Ich bin es müde. Dieses Kämpfen. Und es ist dumm. Ich möchte nur, der Fairness halber, hier erwähnen, dass du genauso kämpfst wie ich. Dass Dein Erstarren, all Dein Rückzug, Deine Stille, dieses schwarze Loch, dass es genauso kämpft wie ich. Dass all mein Wollen, Sehnen, Warten, Wüten, Hoffen, dass es auf ganz genau der selben Münze steht, nur rückseitig, wie Deine Lähmung. Deine Ohnmacht. Deine Angst. Dass auch Dein Rückzug, genauso wie mein Toben, keine Grenze zieht, und gar nichts ändert. Und dass ich sehr wohl geliebt hab, wenn ich sehnte, dass ich bis oben hin voll Liebe war, mitsamt der ganzen Suche und dem Wollen. Nur als ich begann zu hoffen, dass Du mein Sehnen minderst, als ich begann nur das zu sehen, was besser wär’, wenn du ein andrer wärst, da war mein Herz im Kopf, und die Liebe konnte nirgens hin. Und ebenso hast Du mich in der Tat geliebt, als Du gelauscht hast, meinem Drängen, meiner Suche nach den schön’ren Orten dieser Welt. Aber als es Dich auch einschloss, meine Suche, und als Du den Atem anhieltst, da, da hörtest auch Du auf, zu lieben. Denn Liebe atmet. Und zieht Grenzen. Liebe flieht nicht und sie kennt die Wut. Aber Du liebst mich nicht bedingungslos, wenn Deinem Herz der Atem stockt und Du versuchst, dem nächsten Vorwurf zu entflieh’n. Du liebst nicht, wenn Du Angst hast. Und ich lieb Dich nicht, wenn ich darauf warte, dass Du endlich mutig bist.