So ein bisschen albern kommt es mir schon manchmal vor, wie groß ich es empfand. Und gleichwohl. Es war groß. Es wurde größer im Nachhinein. Ein Armutszeugnis, aus gewisser Sicht, daß es mir ein solcher Schritt war. Und doch. Man fängt doch immer mal wieder klein an. Da kann ich noch so sehr fünfunddreißig sein. Stellen Sie sich die Absurdität dessen vor, einen Schritt nur deshalb nicht zu machen, weil man ihn so spät macht. Und natürlich, eine gewisse Dramatik habe ich der Szene auch gegeben. Hätte den Brief fast ausgedruckt und mir an die Wand gehängt. (Habe ihn in mein Blog gestellt.1 Kommt ein bisschen aufs Gleiche raus 😉 )
Dramatik jedenfalls. War da. Gleichwohl schloss sich die eigentliche Dramatik erst an, und tut es noch. Nicht so Drama-mäßig daß ein psychologischer Hurrican über mich eingebrochen wäre. Es waren eher so einige kleinere Tsunamis. Die man auf offener See selbst kaum spürt, aber wenn man dann ans Ufer kommt findet man alles verwüstet vor. Eine Hafenwelle.
Hartz IV zu bekommen, das sieht schon beim Schreiben scheiße aus. Da spannt sich in mir gleich immer so der antrainierte politisch korrekte Nerv an. Da will man ja jetzt keinen als Looser hinstellen. Hartz Vier zu kriegen sagt ja nichts über den Menschen aus, ich bitte Sie.
Auch gut finde ich dann die umgekehrte Sichtweise, man würde Hartz Vier ja nicht kriegen, sondern es sich nehmen. Und die dazugehörige obligatorische Herablassung gegenüber den entwürdigenden Verfahren und den erkenntnisresistenten Sachbearbeiterinnen. Hin wie her, es kreieren sich absorbierende oder zurückschlagende Opfer dieses Systems. Opfer. Kann man nicht anders sagen. Schon das Wort Opfer selbst ist entweder eine Beleidigung oder ein zum Ernstwerden mahnendes Etwas.
Sehen Sie, schon allein beim Schreiben, ich beginne den Absatz mit dem Wort Hartz Vier und ende mit unbeliebten, gewichtigen Substantiven. Himmelherrgott.
Und davon wollte ich weg. Und sei es mit einem etwas emotionalen, stolzgeschwellten Tusch. Wenn auch wenig gehört, so doch von mir.
Adieu JobCenter. Hab‘ ich gesagt, und dachte irgendwie, die ganze Welt würde mich beglückwünschen. Am meisten dachte ich würden das die Sachbearbeiterinnen tun. Frau Laux, dacht ich, Fanfare, Sie sind die zweiundsiebzigste Kundin dieses Jahrzehnts, die diesen Schritt geht, ich beglückwünsche Sie zu dieser Entscheidung! Sollten Sie weitere Hilfe benötigen zeigen wir Ihnen gern, wo Sie weitere Unterstützung finden. Schließlich ist dies ja der eigentliche Zweck unseres Unternehmens: uns überflüssig zu machen. Sie zu integrieren! Nehmen Sie also als Zeichen unserer Anerkennung Ihres Mutes und Ihrer Willenskraft dieses ledergebundene Notizbuch und diesen Blumenstrauß, und in diesem Sinne darf ich aus voller Überzeugung die Formulierung „auf Wiedersehen“ hier außer Gebrauch lassen, und Ihnen stattdessen einen wunderbaren weiteren Weg wünschen! TaDaa!
Nichts da. … „Sind Sie sich sicher Frau Laux?“. „Echt, und weißt Du schon was Du dann machst?“ „Aha. M hm. Nun ja. Wenn du das für richtig hältst.“ Keine Bewunderung. Schulterklopfen. „Endlich“. Und ich war so stolz auf mich… Aber tja… was ich danach machen würde? Und ob das wirklich „klug“ aus allen Perpsektiven dieses Wortes war? Keine Ahnung.
Weg wollte ich. Aus dieser Opferitis. Herrgottnochmal. Dieses „Du schaffst es ja doch nicht allein.“ Bäh. Dreizehn Jahre lang. Oder lassen wir es mit Abzug der zwei Kinder und der drei und fünf Monate Arbeiten acht Jahre sein. Acht Jahre JobCenter. Knick Knack Kleben, das ist genug für ein Leben. Wie ich da immer wieder angetanzt bin, im Brustton der Überzeugung, daß ich JETZT weiß wo lang es geht. Und beim dritten Mal hat mein Sachbearbeiter dann nur noch müde geschmunzelt, ich fand ihn eigentlich sympathisch, wenn ich nur nicht die ganze Zeit damit beschäftigt gewesen wäre, meine Würde aufrecht zu erhalten.
Nun denn. Ich beginne jetzt die Schritte die ich vielleicht direkt nach dem Erlangen meiner allgemeinen Hochschulreife hätte gehen sollen. Es ist mir unangenehm. Aber nun gut. Und es ist auch anderthalb Jahre her, daß ich mich vom JobCenter losgesagt habe. Aber nun gut. Manche Anfänge ziehen sich und sind gar nicht immer auf den ersten Blick als solche erkennbar. Und ich habe immernoch nicht die Steuererklärung vom letzten Jahr fertig abgeschickt, und es ist Oktober. Aber nun gut. Aber das JobCenter. Es ist nicht mehr in mir, würde ich behaupten. Fetzen davon schwimmen natürlich noch in mir herum. Selbstverständlich. Was sind anderthalb Jahre gegen acht. Aber ein wenig, ganz heimlich, weitet sich schon meine Brust, wenn ich lausche, und breit macht sich ein leises, sehr angenehmes: Adieu JobCenter!
1 Ja ja, aber ich stelle meine Dinge auch gerne IN einen Blog, was sollen sie denn AUF ihm?